Die Aufzeichnungen der Christine Amsinck (1784 - 1860 )
.......... vielmehr aber machte die gänzliche Stockung des Handels durch den Krieg, die Elbsperre , die Befestigung Hamburgs von den Franzosen , daß ja auf Jahre der Handel für unsere Vaterstadt vernichtet war.
Aber einst im Jahre1788, wo das Geschäft recht florierte, kaufte der Vater Amsinck noch eine Kupfermühle, zu Glinde, von Hamburg , die 2 Std., zwischen Steinbeck und Reinbek belegen, der Familie seitdem zur Kutschfahrt von Sonnabend bis Montag diente. Da wurde dann am Sonnabend Morgen von der Mutter viel gepackt, um Lebensmittel auf Tage mitzunehmen, da allemal auch Freunde herauskamen. Die Equipage, auf der die Mutter und die Kinder meistens 2 Uhr Sonnabend nachmittags herausfuhren, war nicht brillant. Vier Bauernpferde mit einem Jungen, der zuweilen kaum groß genug war, um aufs Pferd zu kommen, holten den hölzernen Chaisewagen vom Stall beim Theerhof ab nach dem Holländischen Brook Nr. 72. Mutter, ihre 3 Töchter nebst einem Dienstmädchen stiegen auf; Sohn Rudolph blieb, wie er größer ward, beim Vater zurück, um später nachzufahren.
Dann gings zum Deichtor hinaus durch Hamm und Horn, Schiffbeck, Oberschleuse, Ost-Steinbeck über die Heide nach der Glinder Kupfermühle. Diese war, wie man näher kam, ein kleines Paradies gelegen. Längst sah man zwei merkwürdige hohe Tannen, die beide von gleicher Größe waren und schon von einem Punkt des Hamburger Walls beim Deichtor gesehen werden konnten.
Von der Höhe der Heide sah man den großen Mühlenteich, der teilweise vom Garten begrenzt war. Über einen mit Buschwerk umzäunten Damm, über eine Brücke und gepflasterte Straße gings dem Hause zu. Die lauten Schläge des Kupferhammers bewillkommneten uns meistens. Gärtners Frau und Sohn und alles was Hände hatte, entlud rasch den Wagen, indem die Mutter trieb, nicht zu säumen, da die Gäste bald nachkommen würden. Jeder mußte seinen Posten wahrnehmen. Mama und Tochter Hannchen besorgten die Schlafstuben der Gäste zu ordnen. Lisette die Küche, Keller und Speisekammer und überlieferte der Mutter Ausborn, Frau des alten Kupferschmiedes und gewandten Köchin alles Erforderliche und Stine sorgte für Thee und schaffte die Theegeräte, Butter und Brod. Pfeiffen und Tabak zu einem gastlichen Platz im Garten.
War dies besorgt, so rief auch wohl schon des Gärtners Sohn: " Se kummt all uppen Berg " und der Kaffee ward gekocht, Mutter gerufen und die Gäste bewillkommt. Da schmeckt denn der Kaffee und das Butterbrod im Freien den lieben leicht befriedigten Gästen. Sei es Onkel Gerhard Steetz und Frau und alte gute Tante Johanna, sei es Herr Geffken und Frau mit einigen Kindern oder wer sonst. Kaum hatten die Herren, die nicht lange Rast hielten, mit ihren Pfeifen einige Schritte im Garten getan als des Gärtners Sohn aufforderte: ob gefällig, das Fischen mitanzusehen ?
Es ward nämlich im Frühjahr im großen Mühlenteiche gefischt und eine große Menge in einen 4ekigen Teich gesetzt, von wo aus sie leicht zu bekommen waren. Da ging dann die ganze Gesellschaft gerne mit; Gärtner und Sohn mit einem großen Netze voran und umzogen den Teich, wo dann an einer Stelle aufgezogen ward. Ein meistens sehr gesegneter Fischzug von Hechten, Barsch, Braxen und Schlei. Der größte Teil ward dem Wasser wieder übergeben und Mutter Amsinck wählte die Zahl der Fische für den Abend aus.
Dann erscholl es wieder: Madame, de Herr kummt und Vater, der noch die Börse besucht und manches kleines Geschäft ausgeführt haben mochte, kam mit einigen Herren auf seinem leichten Stuhlwagen heraus, sei es Candidat Winder, Cand. Schacht, Herr Duesberg, Herr Bleisticker; letzterer kam meistens erst spät Abends zu Fuß, oder in früheren Jahren Herr Repsold oder manche sonstige Herren. Die schwarzen Wagenpferde witterten schon den Glinder Hafer und trippelten gewaltig, verlangend, daß Kutscher Maltes zum Stall führte Nachdem die Herren sich durch Speis und Trank erquickt, ging der Vater erst seinen Geschäften nach, zu dem Kupferschmied, Meister Ausborn, besah die gefertigten Waren und bestellte wohl aus neue eine geforderte Masse Schiffsblatt zum Beschlagen von Schiffen oder Dachblatt zum Decken oder Ausbessern von Kirchen oder anderen Gebäuden oder zum Verschiffen.
Die übrige Gesellschaft erging sich in den weitläufigen Gärten, die sehr viel Obstbäume enthielten, die, wenn sie gut trugen, soviel Äpfel und Birnen verschafften, daß außer dem großen Amsinckschen Hausstande noch manches in der Familie recht reichlich besorgt ward. Diese Obstbäume trugen regelmä0ig sehr gesegnet 2 Jahre nach einander, die beiden folgenden Jahre wurden sie von den Maikäfern so total abgefressen, daß sie nicht eine Frucht lieferten und im Juni die gänzlich kahlgefressenen Bäume erst wieder grün ausschlugen.
Da diese Mühle einsam in der Heide lag und ringsrum nichts eben für die Käfer zu finden war, so fielen sie in solcher Menge über die Obstbäume her, daß sie nicht zu vertilgen waren. Bei Eimern und scheffelweise konnte man leicht auflesen, aber wie töten ? Wurden sie in den Teich geworfen, so ruderten sie bis sie ein Blatt fanden und flogen davon. Ob diese 2 Ruhe-jahre der Bäume es veranlaßten , daß sie die beiden anderen Jahre so über aus gesegnet mit Früchten waren, daß man die beiden unfruchtbaren Jahre genugsam davon trocknen konnte ?
Übrigens entbehrte das Auge nicht an angenehmen Grün, denn es waren eine solche Masse der schönsten Linden da, die von den Käfern gänzlich ungefressen blieben, und ihnen nach Sonnenuntergang nur zum Nachtquartier dienten. Um eine kurze Zeit war es denn nicht geheuer, draußen zu gehen, indem ein solches Gesumme der Käfer war, die oft gerade um Kopf und Gesicht flogen. Wenn die Eichen im Glinder und Steinbecker Holz erst ausgeschlagen waren, wurden wir die Plage los, dann hatten sie aber schon ihren Teil verzehrt.
Vier verschiedene Gärten hatte unser Glinde, den einen zunächst an dem sehr geräumigen Wohnhaus ( wo für 20 Personen Schlafgemächer waren ); die anderen Gärten dem Wohnhaus gegenüber, und 2 große Alleen außer dem hölzernen Tore, wodurch die nicht nöthige Durchfahrt abgeschlossen werden konnten, da eigentlich kein Weg darüber führte.
Für den ersten Sonnabend Abend blieb für die Gesellschaft nichts weiter übrig, als sich zeitig in die große Stube des Hauses um den Tisch zu setzen, worauf regelmäßig ein paar große Schüsseln mit gekochten Fischen bei einem Glase Wein das frugale Mahl ausmachten. Zur Zeit vielleicht noch eine Schüssel arabischen Erdbeeren bei einem Käsebutterbrod.
Herr Professor Lichtenstein als Naturforscher machte einst die Bemerkung, daß die Hechte im Glinder Teiche sich dadurch auszeichneten, daß der Oberkiefer vorstände, statt daß sonst bei Hechten der Unterkiefer bedeutend vorausragte.
(Teil 1. Wird fortgesetzt!
Aus dem Buch "Unter dem gekrönten Turm" - Familiengeschichten um St. Katharinen von Oskar Jänisch 1935)