Altes Gutshaus
Das von alten Glindern liebevoll "Das Schlösschen" genannte Gebäude treffen wir zentral in der Stadtmitte, Möllner Landstr. 53, in einer teilweise noch erhaltenen Parkanlage mit Gutsteich und Fragmenten der alten Gutsmauer.
Noch bis 1971 war es von Scheunen, Ställen und Nebengebäuden gerahmt, und die Kühe begrüßten mitten in einer rasant wachsenden Großgemeinde die Gäste.
1971/72 wurde der landwirtschaftliche Betrieb in die Feldmark ausgelagert. Auch von dem damals neu erstellten Gut ist nicht mehr viel erhalten geblieben, aber es lebt im "Golf Gut Glinde" fort.
Das alte Gutshaus ist um 1880 entstanden. Der Hamburger Anwalt Dr. Edward Bartels Banks ließ es errichten. Seine erste Blüte erlebte das Gut Glinde jedoch erst, als der Ökonomierat Franz Rudorff aus Hildesheim es 1894 pachtete und 1901 erwarb. Er richtete die "Sanitätsmilchwirtschaft" ein, die in der Fachwelt große Beachtung fand.
1912 wurde das Gut von dem gebürtigen Friesen Sönke Nissen gekauft, der durch Diamantenfunde in Afrika als Oberingenieur von Bahnprojekten zu Reichtum gekommen war. Nissen gab dem bis dahin etwas verspielten Gutshaus sein heutiges Gesicht. Er ließ es durch den Hamburger Architekten Odt im Stile eines nordelbischen Herrenhauses mit klassizistischen Elementen umbauen.
Sönke Nissen (sen.) starb bereits 1923. Von da an befand sich das Gut Glinde über Jahrzehnte im Eigentum des "Sönke-Nissen-Nachlass". Dieser verpachtete den landwirtschaftlichen Betrieb 1927 an Emil Pritschau. Pritschau führte das Gut zu neuer Blüte und baute die Sanitätsmilchwirtschaft zur "Glinder Vorzugsmilch" aus, die im weiten Umkreis bekannt wurde.
Milchwagen aus Glinde lieferten die begehrte Frischmilch bis tief nach Hamburg hinein. (Einer der Milchwagen steht übrigens noch im Wagenschauer an der Glinder Mühle. Auch die alte Gutskutsche ist dort zu finden.)
In den 60er Jahren war der Abriss des Gutshauses vorgesehen gewesen, um der "modernen" Hochhaus-bebauung den nötigen Raum zu schaffen. Glücklicher Weise gelang es, diese Planung zu verhindern.
1976 wurde eine Stiftung gegründet, der Sönke Nissen jun. das Gutshaus schenkte. Seitdem führt das Gebäude offiziell den Namen "Gemeinschaftszentrum Sönke-Nissen-Park Stiftung", aber für die Glinder bleibt es "Das alte Gutshaus". Hier liegt heute das Zentrum der Gemeinwesenarbeit in Glinde. www.gutshaus-glinde.de Zahlreiche Angebote der Stiftung und verschiedener anderer sozialer Träger für Hilfe Bedürftige, kulturelle Veranstaltungen sowie Senioren- und Jugendbereiche findet man hier. Monatliche Kammerkonzerte im Kaminraum und wechselnde Kunstausstellungen werden im weiten Umkreis beachtet. Und auch das Trauzimmer der Stadt wurde hier eingerichtet, das mit der malerischen Kulisse Ehewillige aus vielen Orten anlockt.
Im Garten findet man außer dem künstlerischen Brunnen auch die einzige Glinder Boule-Bahn, die gern von den französischen Gästen, aber auch von den Glindern genutzt wird.
Umfassende Informationen über das Gut Glinde mit zahllosen Fotos aus vielen Jahrzehnten finden Sie im Stadtarchiv (donnerstags), beim Heimat- und Bürgerverein in der Glinder Mühle (Sa. u. So, 14-18 Uhr) und in den Glinde-Büchern des Verlages Hans-Jürgen Böckel.
Zeittafel:
• 1880 Der Hamburger Anwalt Dr. Edward Bartels Banks lässt das Herrenhaus mit Park und Gutsmauer errichten
• 1894 Ökonomierat Franz Rudorff aus Hildesheim pachtet Gut Glinde, erwirbt es 1901 und richtet die viel beachtete "Sanitäts-Milchwirtschaft" ein
• 1912 Sönke Nissen kauft das Gutshaus und lässt es durch den Hamburger Architekten Odt im Stil eines nordelbischen Herrenhauses mit klassizistischen Elementen umbauen
• 1928 Das Pächterehepaar Pritschau bewirtschaftet Gut Glinde fast 40 Jahre und führt es mit der "Glinder Vorzugsmilch" zu einer der bekanntesten Landwirtschaften in Deutschland
• 1970/71 wird der landwirtschaftliche Betrieb aus der Ortsmitte in die Feldmark verlagert. Das alte Gutshaus soll der Entwicklung zur Stadt geopfert und abgerissen werden
• 1973/74 findet sich eine interfraktionelle Mehrheit der Gemeindevertretung gegen den Abriss. In langen Verhandlungen mit dem "Sönke-Nissen-Nachlass" kann die Erhaltung durchgesetzt werden
• 1976 wird die "Gemeinschaftszentrum Sönke-Nissen-Park-Stiftung" gegründet. Sönke Nissen jun. bringt das Gutshaus in diese Stiftung ein
• 1978 Nach einer gründlichen Renovierung wird das Gutshaus als Gemeinschaftszentrum eingeweiht. Es beherbergt neben der Stiftung Räume für Jugend- und Seniorenarbeit, für Beratungsdienste und Hobby sowie für die Stadtbücherei
• 1987/94 Die Grundsanierung erfolgt in mehreren Bauabschnitten. Insgesamt müssen 2,8 Mio DM aufgewendet werden. Das Gutshaus wird unter Denkmalschutz gestellt und bekommt (dennoch) einen Fahrstuhl. Ein Trauzimmer wird eingerichtet. Nach Auszug der Bücherei entsteht eine große Tagesstätte im Erdgeschoss. Seither dient das "alte Gutshaus" vielfältigen sozialen und kulturellen Zwecken